Posted on: 20. März 2024
#Pinakothek der Moderne #Gruppenausstellung #The Art of Interference
Esther Hunziker / Frames / Glitch. Die Kunst der Störung / Pinakothek der Moderne
Frames, Ausstellungsansicht Pinakothek der Moderne, Foto: Margarita Platis, Bayerische Staatsgemäldesammlungen
Esther Hunziker / Frames / Glitch. Die Kunst der Störung / Pinakothek der Moderne
Frames, Ausstellungsansicht Pinakothek der Moderne, Foto: Margarita Platis, Bayerische Staatsgemäldesammlungen
Esther Hunziker / Frames / Glitch. Die Kunst der Störung / Pinakothek der Moderne
Frames, Ausstellungsansicht Pinakothek der Moderne, Foto: Margarita Platis, Bayerische Staatsgemäldesammlungen
Frames 1996, U-Matic SP (transferred to DV Pal), sound, 00:05:00, estherhunziker.net/frames
Esther Hunziker / Frames / Glitch. Die Kunst der Störung / Pinakothek der Moderne
Ausstellungsansicht Pinakothek der Moderne, Foto: Margarita Platis, Bayerische Staatsgemäldesammlungen
Esther Hunziker / Frames / Glitch. Die Kunst der Störung / Pinakothek der Moderne
Ausstellungskatalog, Ausschniit, Glitch: Die Kunst der Störung
Esther Hunziker / Frames / Glitch. Die Kunst der Störung / Pinakothek der Moderne
Saaltext, Ausstellungsansicht Pinakothek der Moderne
Esther Hunziker / Frames / Glitch. Die Kunst der Störung / Pinakothek der Moderne
Saaltext zur Arbeit von Man Ray ma dernière photographie, Ausstellungsansicht Pinakothek der Moderne

Glitch: Die Kunst der Störung
01.12.2023–17.03.2024
Pinakothek der Moderne, München

Die Sonderausstellung Glitch wird auf 1.200 qm Ausstellungsfläche in der Pinakothek der Moderne der „Kunst der Störung“ als globalem Phänomen nachspüren. Internationale Künstler:innen hinterfragen kritisch die Realitätsnähe der Medien, schaffen neue Welten oder decken normative Ordnungen und gesellschaftspolitische Disparitäten auf und machen nicht zuletzt Unsichtbares sichtbar.

Mit Werken von Erwin Blumenfeld, Monika von Boch, Kilian Breier, Nick Briz, Broomberg & Chanarin, Chargesheimer, Pierre Cordier, Inge Dick, Christian Doeller, Maya Dunietz, Walter Ebenhofer, Jake Elwes, Jamie Faye Fenton, Ralf Filges, William Forsythe, Marc Foucault, Heinz Hajek-Halke, Fabian Hesse & Mitra Wakil, John Hilliard, Esther Hunziker, Lotte Jacobi, Gottfried Jäger, Arthur Jafa, JODI, Joan Jonas, André Kertész, Germaine Krull, Ryoichi Kurokawa, !Mediengruppe Bitnik und Sven König, Rosa Menkman, Ugo Mulas, Mame-Diarra Niang, Carsten Nicolai, Kazuma Obara, Nam June Paik, Jiang Pengyi, Sondra Perry, Sigmar Polke, Timm Rautert, Man Ray, Johanna Reich, Evelyn Richter, Pipilotti Rist, Barry Stone, ariella tai, Wolfgang Tillmans, Raoul Ubac, Timm Ulrichs, Steina Vasulka, Peter Weibel

Kuratorin: Franziska Kunze
Assistenzkuratorin: Katrin Bauer



Esther Hunziker im Interview mit Franziska Kunze



Warum hast Du dich entschieden, ein 5-Sekunden Video auf 5 Minuten auszudehnen?

Ich habe viel Zeit am Videoschnittplatz verbracht und mit Vorliebe die Videos per Jog/Shuttle angeschaut, also nicht in Echtzeit, sondern durch langsameres vor- und zurückdrehen im Jog-Modus in Einzelbildansicht. Im analogen Videoformat PAL besteht ein Bild aus 25 Voll- bzw. 50 Halbbildern pro Sekunde. Dabei baut sich ein vollständiges Bild (Frame) aus zwei unterschiedlichen Halbbildern (Fields; Upper Field – Lower Field) auf. Es sind diese Halbbilder, die wir in Echtzeit nicht wahrnehmen, die mich fasziniert haben, die Bilder zwischen den Bildern. Die Suche nach unerwarteten Bildern, die quasi von der Maschine generiert werden. Abstrakte Bilder, die sich vom konkreten losgelöst haben. Diese Art Videos zu betrachten hatte etwas von einem Ghosthunter, auf der Suche nach dem sogenannten Geist in der Maschine. In Science-Fiction Erzählungen taucht der Geist in der Maschine immer wieder als Fehlfunktionen, Glitches, Störungen im normalen Lauf der Dinge auf, die dann als flüchtiger Einblick in eine nicht menschliche Intelligenz bei der Arbeit interpretiert werden.

Erik Davis bezeichnet in seinem Buch «TechGnosis» die äussere Grenze elektronischer Medien als «elektromagnetisches Imaginäres», was bedeutet, dass viele animistische oder alchemistische Vorstellungen von essentiellen Energien und Lebensgeistern in das Konzept der Elektrizität übersetzt wurden und im «technologischen Unbewussten» verbleiben. — Ich habe den Geist in der Maschine nicht gefunden. Aber ich habe es versucht.


In welchem Verhältnis steht Ihre künstlerische Praxis zu dem Begriff/den Begriffen von Glitch / Bildstörung / Fehler?

In elektronischen Medien tauchen Glitches häufig auf, wenn es zu Interferenzen kommt, zum Beispiel durch elektromagnetische oder hochfrequente Störungen. Ich habe diese Störungen immer wieder gesucht und provoziert, sei dies durch falsche Verkabelungen am Videoschnittplatz, inkompatible Abspielgeräte, Störungen von Radiofrequenzen oder später auch durch digitale Störungen wie Eingriffe in den Binary Code, oder durch starke Bild- und Videokomprimierung.

Es ist eine experimentelle Arbeitsweise, die Lust, das Material zu erforschen und neu zu entdecken indem man es zuerst kaputt macht, um dann unerwartetes entstehen zu lassen. Ich mag es der Maschine Kontrolle über das Bild abzugeben, die Maschine entscheiden zu lassen und so Bilder generativ zu entwickeln. Heute mit der neuen AI Technologie sind diese Prozesse der maschinell generierten Inhalte extrem brisant, — faszinierend und furchteinflössend zugleich. Der Geist in der Maschine wird uns noch lange beschäftigen, und wir sind ihm heute im Jahr 2023 um einiges näher als 1996, als die Arbeit Frames entstand. Ich nutze heute AI Tools auf verschiedenen Ebenen in meiner künstlerischen Arbeit. Bei der Bildgestaltung muss man aber um einiges kreativer sein, um Bilder überhaupt kaputt zu kriegen, da die öffentlich nutzbaren Tool-Generatoren so trainiert sind, dass sie vor allem schöne, geglättete und standardisierte Bilder nachahmen wollen.


Welche Rolle spielen Bildstörungen in Ihrer künstlerischen Praxis?

Wenn man mit elektronischen Medien arbeitet, kommt man um Bildstörungen nicht herum. Natürlich gibt es die Momente, in denen sie absolut unpassend sind und einem den letzten Nerv kosten, aber es gibt die Momente, wo man sie provoziert und bewusst entstehen lässt, und wo sie einen nicht mehr loslassen. Ich bin absolut fasziniert von den neuen AI Tools und den kreativen Möglichkeiten, mit ihnen zu arbeiten. Aktuell interessieren mich aber vor allem die generierten Bilder, die Störungen noch implementieren. Ähnlich wie damals bei der analogen Bildbearbeitung im Jog-Modus, hat mich die Suche nach den Bildern zwischen dem Bildern nicht losgelassen. Das provozieren von Interferenzen, die Suche nach dem Ort, wo das Bild instabil wird und Energie mit sich selbst in Wechselwirkung tritt. Es sind nicht die schön geglätteten Bilder, die mich interessieren. Bildstörungen sind immer ein Ort des Dazwischens, ein fragiler Moment des langsam Auseinanderbrechens und wieder Zusammensetzens. Dieser Prozess hat mich immer wieder fasziniert, in unterschiedlichen Medien, in unterschiedlichsten Tools. Mag gut sein, dass sich hinter dieser Vorliebe für Fehler und Störungen auch ein gewisses Misstrauen gegenüber dem konkreten Bild verbirgt.